Der Höker von Ritzerau

Der Höker von Ritzerau

Am 17.April 1872 erhielt der Lübecksche Bürger Jochim Peter Hinrich Scharbau den Anmelde-Gewerbeschein, ausgestellt vom Stadt-und Landamt der Hansestadt Lübeck.
Dieses war für ihn die Zulassung zum Höker zu Ritzerau. Von diesem Zeitpunkt an hatte die Gemeinde Ritzerau ganz offiziell einen eigenen Laden.

Zuerst war dieser Laden im Bauernhaus des Betreibers Scharbau in der Dorfstrasse (heute Haus der Familie Dreifke) angesiedelt. Als im Jahr 1907 Jochim P.H. Scharbau starb, hinterließ er viele Kinder. Der Hof wurde verkauft, nur das Altenteilerhaus blieb im Besitz der Familie. Dieses Haus, gegenüber der Bauernstelle gelegen, erbte die ledige Tochter Maria Scharbau, die mit ihrem Sohn Richard darin lebte und den Laden weiterführte. Ihr Bruder Hermann Scharbau blieb auch in Ritzerau wohnen und zog an das Ende des “Rottensteerts” (heutige Hermannstrasse). Sohn Richard kehrte aus dem Krieg nicht zurück. Als Maria Scharbau den Laden nicht mehr weiterführen konnte, wurde er an Hans Hinze, einem Flüchtling aus Königsberg, verpachtet. Darum gab es nun auch frisch hergestelltes Königsberger Marzipan beim Höker zu Ritzerau. Gewohnt hat der Pächter im Haus gegenüber des Ladens (damalige Besitzerin Lene Groth, heute Fam. Seulberger). Im Jahre 1963 übernahm der Neffe von Maria Scharbau, Helmut Scharbau, mit seiner Frau Erika den Laden. Nach einigen Umbauten bewirtschafteten sie das Geschäft bis zum Ende des Jahres 1984.

Der Höker von Ritzerau hatte so günstige Preise, dass sogar die Kinder der Konkurrenz aus Nusse ihr Geld in Ritzerau ließen. Hier gab es für nur einen Groschen eine große Tüte Bonbons, die in Nusse für den gleichen Preis nur halb so groß war. Darum machten sich die Nusser Kinder gern auf den Weg zum Höker nach Ritzerau.

Dass so ein Laden auch bei anderen Gelegenheiten nützlich sein konnte, zeigte sich im Jahr 1966. Als im November dieses Jahres der Hof der Familie Beeck (heutiges Klodt-Haus) abbrannte, quartierte sich die Brandwache für ca. 1 Woche im Keller des Ladens ein. An Vorräten mangelte es hier ja nicht, den Bier-Nachschub musste Erika Scharbau mit ihrem Kombi aus Mölln holen. Als dann der frisch gebrühte Kaffee Fettaugen enthielt, lernte Erika Scharbau, dass man in einem Teekessel aus sehr gut Würstchen erhitzen kann. Not macht bekanntlich erfinderisch.

Noch heute kann man die Möbel aus dem Scharbau’schen Laden im Museum in Lübeck besichtigen.

Quellen: Gewerbeschein (noch heute im Besitz der Fam.Scharbau)
Erzählungen von Helmut und Erika Scharbau